Des Leuchtenden Erdeweg 


DRITTES ZWISCHENSPIEL 

VOM LOGOS UND VOM JOHANNES DER TÄUFER

 

 

Hier sei zuerst nun aufgezeigt, wie jene Glaubenseiferer des neuen Kultes, denen einst die alte Sendschrift (Johannes 1:1-37) in die Hände fiel, mit ihrem Texte skrupellos zu schalten wußten.
Der unbekannte Verfasser dieser Sendschrift hatte einst – dem Sinne nach -- geschrieben: 
«IM ANFANG IST DAS WORT, UND DAS WORT IST IN GOTT, UND GOTT IST DAS WORT.
ALLES HAT DASEIN NUR IN IHM, UND AUSSER IHM IST NICHTS IM DASEIN: AUCH DAS GERINGSTE NICHT.
IN IHM HAT ALLES LEBEN UND SEIN LEBEN IST DER MENSCHEN LICHT.
DAS LICHT LEUCHTET IN DER FINSTERNIS, UND DIE FINSTERNIS KANN ES NICHT AUSLÖSCHEN.
ES IST IN DER WELT UND DIE WELT IST AUS IHM GEWORDEN, ABER DIE WELT ERKENNT ES NICHT.
ES IST IN SEINEM EIGENEN, ABER DIE IHM EIGEN SIND, NEHMEN ES NICHT AUF.
ALLEN ABER, DIE ES AUFNEHMEN GIBT ES MACHT, GOTTGEZEUGTE ZU WERDEN: DIE NICHT GEZEUGT WERDEN AUS DEM BLUTE, NICHT AUS DES WEIBES WILLEN, NICHT AUS DES MANNES WILLEN, SONDERN AUS GOTT GEZEUGT, AUS DER FÜLLE DER GNADE UND WAHRHEIT.» 
Hier war einst der Zusammenhang durch nichts anderes unterbrochen, und es war lediglich Absicht des Verfassers, durch diese Worte die sich im engsten Anschluß an die damals verbreitete Lehre vom «Logos» hielten, den Getreuen, an die seine Sendschrift gerichtet war, einen deutlichen Hinweis zu geben, in welchem Sinne er das nun Folgende aufgefaßt wissen wollte.
Und dann erst begann er die Erzählung von dem Täufer, die er bereits in den alten Schriften vorgefunden hatte, auf seine Weise zu verwerten, da er nicht nur zu den Jüngern des Täufers, die zu jener Zeit noch zu finden waren, sich im Gegensatze wußte, sondern auch den Seinen zeigen wollte, daß weder die strenge Askese, die der Täufer als ein Abgesandter einer mystischen Sekte einst gepredigt hatte, das Heil gewähre, noch die Wassertaufe des neuen Kultes, der sich nach dem hohen Meister nannte.
Daneben aber wollte er dem Irrtum wehren, als sei der hohe Meister – wie es ältere Sage wollte – erst des Täufers Schüler gewesen, bevor er selbst zu lehren begann.
Darum läßt er des Täufers Jünger diesen verlassen, als er selbst bekennen muß, daß er zwar mit Wasser taufe, jener Jehoschuah aber mit Geist zu taufen wisse.

Dies nun sagten – dem Sinne nach – die ursprünglichen Worte:
«ES WAR EIN MENSCH, DER NANNTE SICH JEHOCHANAN.
UND DIES IST ZU BETHANIA GESCHEHEN, JENSEITS DES JORDANS, WO JEHOCHANAN TAUFTE.
JEHOCHANAN SPRACH: 
ICH TAUFE MIT WASSER, ABER ES IST EINER IN EURER MITTE UND IHR KENNT IHN NICHT: DER WIRD TAUFEN MIT GEIST!
NICHT WERT FÜHLE ICH MICH, IHM AUCH NUR DIE RIEMEN SEINER SANDALEN ZU LÖSEN.
EINES ANDEREN TAGES ABER STAND JEHOCHANAN DA MIT ZWEIEN SEINER JÜNGER.
UND ALS ER DEN JEHOSCHUAH VORÜBERGEHEN SAH, SPRACH ER: DIESER IST ES!
ICH KANNTE IHN SELBST NICHT, ABER DER MICH BEAUFTRAGT HAT MIT WASSER ZU TAUFEN, SPRACH ZU MIR: 
WENN DU EINEN SEHEN WIRST, ZU DEM EIN GEIST HERABKOMMT UND ER BLEIBET IN IHM: DER IST ES, DER MIT GEIST ZU TAUFEN KOMMEN WIRD.
UND JEHOCHANAN BEZEUGTE UND SPRACH: 
ICH SAH EINEN GEIST AUF IHN SICH NIEDERSENKEN WIE SICH EINE TAUBE NIEDERLÄSST, UND DER GEIST BLIEB IN IHM.
UND DIE ZWEI JÜNGER HÖRTEN IHN DAS SAGEN UND FOLGTEN DEM JEHOSCHUAH.»

Läge die Urschrift heute einem Übersetzer vor so könnte er vielleicht die Form der Sätze anders wiedergeben, vermöchte aber keinesfalls zu anderer Bedeutung zu gelangen.
Es war dem Verfasser der alten Sendschrift keineswegs daran gelegen, daß sich die Form in der er die Erzählung gab, mit den Berichten deckte, die aus ihr sich die Bestätigung zu schaffen such ten, daß der Täufer in dem Meister den «Messias» erkannt und bekundet habe.
Es fehlt hier auch vieles das man an gleicher Stelle in der heute überlieferten Textgestaltung findet.

Aus: Die Weisheit des Johannes pdf Seiten: 75-80



Logos Bo Yin Ra

 

Von diesem Tage an begann er nun von dem was ihm geworden war, auch An deren aufs deutlichste mitzuteilen.
Nun sprach er im Bewußtsein seiner inneren Berechtigung und suchte an der Hand der alten Schriften die ihm geistig jetzt erschlossen waren, den tiefsten Sinn der alten Seherworte aufzuzeigen, obwohl er noch sein Handwerk weiter trieb wie ehedem.
Seine Zuhörer aber staunten sehr über seine Rede und wußten sich nicht zu erklären, woher denn ihm, dem Ungelehrten, solches Wissen komme.
So unerhört erschien den Freunden und den Anverwandten die Verwandlung seines Wesens, daß sie ihn, trotz aller Tiefe seiner Worte, «von Sinnen» wähnten, und er sich schließlich nicht mehr in der Heimat halten konnte.
So zog er denn von dannen um sich an anderem Orte, wo man ihn nicht kannte, durch seiner Hände Arbeit zu ernähren und durch sein Wort die Seelen zu erwecken. Aber wohin er auch kam, konnte nicht seines Bleibens sein, denn man hörte ihn Dinge sagen, die nie gesagt worden waren, und die Schriftkundigen waren voll des Neides darüber, daß viele ihm mehr zu glauben schienen als ihnen. Nun irrte er geraume Zeit umher, bis er sich wieder nach Capernaum wandte, das ihm lieb geworden war. Es hatte sich ja dort die erste Begegnung einst ereignet mit einem seiner hohen Brüder, die ihm auch jetzt Verheißung gaben, daß er alldadie gesuchte Ruhe finden werde.
Dort in Capernaum sollte ihm nun die Freundschaft eines begüterten Mannes werden, der ihn mit Freuden aufnahm und begeistertseinen Reden lauschte.
Im Hause dieses Mannes fand er dann auch andere, gelehrte Freunde, und in diesem Zufluchtsorte lernte er durch sie seiner Sprache Schriftzeichen lesen und schreiben.

Das Ansehen, das er hier beiden Wohlgeachteten genoß, hatte allmählich ringsum seinen Ruf verbreitet.
Da nun in jener Zeit das Volk des Glaubens war, daß ein solcher Weiser auch über geheime Künste verfüge, durch die er alle Krankheit heilen könne, so kam bald dieser und bald jener in des vornehmen Mannes Haus und bat, daß der weise Rabbi ihn heile.
Anfänglich widersetzte sich der Meister solchem Begehren und schickte die Kranken zu den Ärzten.
Dann aber mehrte sich der Ansturm, und von Erbarmen erfaßt, ging er zu den Kranken hinaus um sie zu trösten.
Aber es geschah, daß viele von denen, die er berührt hatte, schon bald darauf sich geheilt fühlten, so daß der Meister zuerst selbst nicht wußte, was er von solchen Dingen halten sollte.
Es war ihm aber fernerhin nicht mehr möglich, sich den Bitten der Kranken zu entziehen, die nichts von ihm verlangten, als daß er sie nur berühren möge.
Selbst von weit her wurden Kranke zu ihm gebracht und der Glaube an seine «Wunderkraft» erstarkte mehr und mehr.
Bekannte sich nachher einer als geheilt, so betonte stets der Meister selbst, daß nur sein eigener Glaube ihm geholfen habe.
Auch verbot er jedem strenge, von seiner Heilung weiterzuerzählen, da er dem Andrang kaum mehr sich gewachsen fühlte.
Im Laufe der Zeit Jedoch erkannte er, daß ihm eine Kraft des Heilens innewohne, und daß nicht der Glaube der Geheilten nur allein ihrer Heilung Ursache war.
Zwar konnte er nicht alle Krankheit heilen, aber der Geheilten Zahl ward trotzdem täglich größer.
Geraume Zeit des Tages brauchte er, um allen die Hände aufzulegen, die er heilen sollte.
Bis spät in die Nacht aber fand er Zuhörer um sich versammelt, die seiner neuen Gesetzesauslegung lauschten, und unter diesen fand er auch die Ersten, die ihm geeignet schienen, seine besonderen Schüler zu werden.
Ihnen allein aber suchte er zu offenbaren, woher ihm selbst seine Weisheit geworden war.

Lange schon hatte er erkannt, daß er nun kaum mehr sein Handwerk weiter betreiben könne.
Doch da er wußte, daß er stets das Nötige im Überflusse finden würde, wenn er – getreu dem geistigen Gesetze – es seinem «Vater» überließe, ihn zu nähren und zu kleiden, (Matthäus 6:31-32) so kam keine Sorge in ihm auf, und schließlich bat er seinen Gastwirt, ihn nun ziehen zu lassen, damit er auch an anderen Orten lehren könne.
Die Gegnerschaft der ersten Tage schien ihm nun längst nicht mehr bedenklich.

Die ersten Schüler aber, die zu Capernaum von ihm gefunden worden waren, wollten ihn nicht lassen und folgten ihm.
Jeder von ihnen nahm auf seine Weise in sich auf, was der Meister ihnen zu geben hatte.
An manchen Orten, seines Rufes als Heiler wegen, mit seinen Schülern freudig aufgenommen, mußte er doch auch an anderen Orten schroffste Zurückweisung erfahren, und für die Menschen seines Heimatsortes blieb er der anmaßende «Narr», den sie schon zu Anfang in ihm gesehen hatten.
Das Volk aber nannte seine Heilungen – dort wo sie erfolgen konnten – «Wunderwerke», und man verstand ihn nicht, wenn er in solchen Fällen stets betonte, daß nur der eigene Glaube und die ausströmende Kraft aus dem Körper des Heilenden, solche „Wunder” wirke.
Den alten Lehren seines Volkes gab er eine Auslegung, durch die sie auch vor höherer Erkenntnis noch bestehen konnten, und nur wo er sterilen Formelkram die Gläubigen bedrücken, oder den düsteren Stammesgott der Vorzeit Opfer fordern sah, sprach er das Wort: 
«DEN ALTEN WARD GESAGT…»
«ICH ABER SAGE EUCH…!»* (Matthäus 5:28, 31-34, 38, 39, 43, 44)

Aus: Die Weisheit des Johannes pdf Seiten 39-46)