Des Leuchtenden Erdeweg 


FOURTH ZWISCHENSPIEL


VON DER BERGPREDIGT UND DIE PARABEL

 

 

Manlese die Bergpredigt, und man wird wissen, welche allgemeine „Vorübungen” ihm ganz unerläßlich erscheinen; wenn man aber nach „Übungen” für die Fortgeschrittenen sucht, dann spricht jedes seiner Gleichnisse für Bände, ganz abgesehen davon, daß er sehr deutlich zu seinen eigentlichen Schülern sagt:
„Euch ist es gegeben, das Geheimnis des Reiches der Himmel zu erfassen, den andern aber wird es nur durch Gleichnisse.”

In den Gleichnissen sagt er das, was als „Übung” allein nötig ist: Die Einstellung des Bewußtseins auf die Regungen der Kräfte der Seele, und die Folgeleistung, die der Wille diesen Anregungen schuldig ist.

Seinen eigentlichen Schülern aber zeigte er auch die Wirkungsweise der geistigen Gesetze.

Ihnen zeigte er, weshalb das getan werden muß, was im Gleichnis anempfohlen wird.

Ihnen gab er auch Aufschluß darüber, wie man „böse Geister” vertreibt, eben jene Zwischenwesen des unsichtbaren Teiles der physischen Welt, sobald sie der Seele Schaden zufügen.

So führt er, — bald verstanden, bald mißdeutet von den Hörenden, — seine Schüler ein in gar manche Weisheitslehre, die dem Kleinsten und Unmündigen „offenbart werden” kann, den Neunmalklugen und Aufgeblasenen aber „verborgen bleibt”. —

Und trotzdem sagt er das Wort: „Ich hätte euch noch vieles zu sagen, aber ihr könnt es jetzt noch nicht tragen” und weist die so Belehrten darauf hin, daß für jeden wahrhaft Vorbereiteten „der Geist der Wahrheit”, der wahrhaftige göttliche Geistesfunke in das wahre Seelen-Ich komme: — der „lebendige Gott”, — der sie „alle Wahrheit” lehre, der nur aus dem „Seinigen” nähme, auch wenn er einst aus anderem Munde reden werde. —

Geheimnisreich bleibt dieses Wort in seinem Doppelsinn, weil alles, was der Gesalbte selbst gegeben hatte, aus dem Meere der geistigen Schätze des „lebendigen Gottes” war, den er in sich trug und mit dem er vollbewußt sich vereinigt hatte, wie jeder der „Seinen”, die er nach sich kommen sah.
„Wenn ich ausmirselbst reden würde, wäre ich ein Lügner, aber ich rede nicht aus mir selbst, sondern was der Vater mir gesagt hat, das sage ich euch!”

Keiner derer, die aus der Wahrheit reden, sagt das, was er lehrt, aus sich selbst und niemand ist berechtigt, den Weg der Einigung im Geiste zu zeigen, wenn er den Vater nicht lebendig in sich trägt: wenn er nicht vollbewußt mit seinem „lebendigen Gott” in Ver-Einung lebt. —

 

Aus: Das Mysterium von Golgatha pdf Seiten: 120-123

 

Nachdem er so fast ein Jahr in Galiläa heilend und lehrend mit wechselndem Erfolg umhergezogen war, glaubte er zu erkennen, daß nur in Jerusalem seinem Worte der rechte Nachhall werden könne, und durch die Freunde von Capernaum bereits bei deren Freunden in der heiligen Stadt aufs beste angekündigt, schloß er sich mit seinen Schülern den Pilgern an, die zum Osterfeste nach Jerusalem wallten.
Die vornehmen Freunde nahmen ihn gastlich auf, aber sein erstes Auftreten schon zog ihm den Haß der Tempelpriester zu.
So verließ er bald die Stadt, kehrte aber nicht nach Galiläa zurück, sondern blieb in ihrer Nähe, um immer wieder kurze Zeit in ihr zu verweilen, mied sie aber doch mehr und mehr, nachdem er immer deutlicher gewahr geworden war, daß seine vornehmen Freunde ihn kaum schützen könnten, falls er der Priesterschaft in die Hände fiele, die er gar hart in seinen Reden angegriffen hatte.

Er heilte und lehrte, wo er auch war, so wie ehemals in Galiläa.
Es konnte darum nicht fehlen, daß er stets größerer Kreise Hoffnung wurde, besonders unter den Armen und Entrechteten, die auf die knechtende Priesterherrschaft noch weniger gut zu sprechen waren als auf die fremden Unterdrücker.
So kam es denn, daß alles Volk immer mehr des Glaubens wurde, daß er der in alten Schriften vermeintlich Verheißene sei, der aus der Priester und der Römer Knechtschaft nun die Armen befreien müsse.
Die aus dem immer ruhelosen Haufen der Hauptstadt also dachten, hatten erfahren daß der Meister kurze Zeit vor dem Osterfeste wieder nach Jerusalem kommen werde, und sie bereiteten alles vor, um ihn, sobald er käme zum Könige auszurufen, da sie der Priester Macht nur durch die römischen Kohorten gesichert sahen, der Römer Gewalt aber aus ihrer Enge her nicht begreifen konnten.
Als der Meister nun kam, zog man ihm vor die Tore mit großem Jubel entgegen – Männer, Weiber und Kinder – und ihre Sprecher verlangten von ihm, daß er sie gegen die Bedrücker führe.
Überwältigt von allem was er sah, verließ ihn hier die Sicherheit des inneren Bestimmens, und so wie Moses nach der Sage zweifelte ob er dem Volke Wasser schaffen könne, Numeri 20:2-13 so glaubte er vielmehr für kurze Augenblicke, die Macht, die man ihm zuerkennen wollte, könne seiner Sendung Stütze werden.

Nur allzubald sah er den Irrtum ein, so daß er kaum die Stadt betreten hatte, als er dem aufgeregten Haufen sich entzog und in dem Hause eines seiner vornehmen Freunde Zuflucht suchte, bis die Menge durch der Römer Wachtsoldaten auseinandergetrieben war.
Allein die Folgen seines kurzen Schwankens ließen sich auf geistigem sowie auf irdischem Gebiet nicht mehr vermeiden.
Längst schon den Priestern des Tempels als bitterer Mahner verhaßt und um seines Ansehens bei dem Volke willen gefürchtet, hatte er jetzt selbst die Gelegenheit geschaffen, ihn bei der römischen Obrigkeit zu verklagen, als einen der sich gegen ihre Herrschaft wende: einen Aufwiegler des Volkes, der des Volkes König werden wolle.

Es war die römische Obrigkeit wahrhaftig Tumulte unter diesem Volke gewohnt und hätte auch den neuesten am liebsten übersehen, allein bei solcher Art der Klage war es nicht mehr möglich, die Verhaftung des Beschuldigten zu unterlassen.
Der weltkluge römische Prokurator, der deutlich sah, aus welchen Gründen man ihn hier gebrauchte, fühlte in seinem Stolze sich verletzt, und suchte der Nötigung zu einem Urteilsspruche sich zu entziehen.
So schob er die Vernehmung denen zu, die Klage erhoben hatten.
Er ahnte nicht, wie sehr willkommen es jenen war, den Gehaßten nun scheinbar mit besten Gründen auch nach ihrem Gesetze zu verurteilen.
Es gab seiner Worte genug, die man früher nicht zu ahnden wagte und die ihn nun des Todes schuldig erscheinen lassen konnten. Überdies hatte er ja «den Tempel gelästert»: was wollte man noch mehr!
Da ihnen aber eines Todesurteils Vollstreckung unter der Römer Macht entzogen war, so brauchten sie nur darauf zu beharren, daß er das Volk verführe und sich zum Könige ausrufen lassen wolle, um die römische Gerichtsbarkeit zu zwingen, den haßgeborenen Richterspruch an ihrer Stelle auszuführen.
Die Folge war, daß der Gehaßte starb am römischen Kreuzesgalgen, nachdem ihn römische Söldner aus aller Welt und jüdische Tempelknechte schon fast zu Tode gepeinigt hatten.

Hier aber, als sein Erdenwirken schon beendet schien, vollbrachte erst der Meister jene größte Liebestat, durch die er allen, die da Geistiges erschauen, über alle Menschengröße hoch erhaben bleibt für alle Zeiten, als der Größte aller Liebenden die je die Erde trug, – und keiner kann je nach ihm kommen, der ihn an Liebeskraft erreichen würde…
In dieser letzten Stunde ist es ihm gelungen, das Menschentier in sich der Macht des Geistigen zu absoluter Einheit des Empfindens zu vereinen, so daß er die Vernichter seines Erdenlebens noch in der Vernichtung lieben konnte wie sich selbst.
Die unsichtbare Erde, die diesen Erdball in sich trägt gleichwie das Ei den Dotter, ist seit jener heilighohen Stunde der Macht des «Fürsten dieser Welt» – des unsichtbaren, aber nur seiner selbst, und nicht im Geiste bewußten, vergänglichen Gewaltigen, der in dem liebeleeren Dunkel der Materie sich selbst erlebt und alles in sein eigenes Erleben ziehen möchte – für alle Zeit entwunden…
So wie er selbst in dieser Stunde überwunden wurde, kann alle Macht der Finsternis auf dieser Erde nunmehr überwunden werden, durch jene, die um solche Macht des Menschen wissen und «guten Willens»: – wollend aus der Liebe – sind.

Aus : Die Weisheit des Johannes pdf Seiten: 47-54